Tag zwei nach der Unwetterkatastrophe im Eichsfeld

Eichsfeld. Am Tag zwei nach der Unwetterkatastrophe rund um den Rusteberg geht es jetzt darum, den Sperrmüll, der sich vor den Häusern türmt, die in der Nacht zum Montag voll Wasser und Schlamm gelaufen waren, von den Höfen zu bekommen.

 

Viele fleißige Hände wurden am Dienstag in Rustenfelde gebraucht. Der Sperrmüll aus den gefluteten Häusern wurde dann zu einer zentralen Sammelstelle am Sportplatz gebracht. Foto: Eckhard Jüngel 

Bei Familie Hottenrott in Schönau landet das komplette Mobiliar des Erdgeschosses ihres Fachwerkhäuschens, der alten Mühle, im Container. Sie hatten sich gerade neu eingerichtet. Aber jetzt ist alles hinüber. Die Eltern mussten mit ihren beiden Kindern, 5 und 7 Jahre alt, in der Unwetternacht von der Heiligenstädter Feuerwehr mit Schlauchbooten aus dem Obergeschoss der Mühle gerettet werden. Das Wasser stand bei ihnen zwei Meter hoch. Familienvater Nico Hottenrott schwamm dann noch mal zurück, um den Schweinestall zu öffnen. Für eines der vier Tiere kam die Hilfe zu spät. Der Abdecker hat es abgeholt. 

Der Familie ist kaum etwas geblieben. Wohnzimmer, Küche, alles hin. „Wir brauchen alles neu“, sagt Nico Hottenrott (36) leise. Die Tränen stehen ihm in den Augen. „Waschmaschine, Kühlschrank, Herd, Küchenmöbel“, er weiß gar nicht, wo er anfangen soll. Auch Türen braucht er, denn seine sind aus Holz und völlig aufgequollen, lassen sich nicht mehr schließen. Mut machen ihm die vielen Helfer, bis zu 35 gleichzeitig, von denen er manche gar nicht kennt, die mit ihm das Haus ausräumen. Wann er wieder einräumen kann, das kann ihm keiner beantworten. 

Uderaner Bürgermeister eröffnet Spendenkonto

Bürgermeister Gerhard Martin war in der Nacht dabei, als halb Schönau im Wasser versank. Er übernahm die Versorgung der Einsatzkräfte. „Das Wasser kam von Burgwalde auf Straßenbreite runter und floss in Richtung Leine“, erzählt er. Die alte Mühle habe es dieses Mal am schlimmsten getroffen. 

Er hatte eine Idee, wie Familie Hottenrott und den anderen Betroffenen im Dorf schnell und unbürokratisch geholfen werden könnte: mit zinslosen Darlehen, bis sie ihre Schäden von der Versicherung bezahlt bekommen. Aber die Bürokratie machte ihm einen Strich durch die Rechnung. „Geht nicht“, war die Antwort der übergeordneten Behörden. „Eine Gemeinde ist kein Kreditinstitut“, wurde ich belehrt, ärgert sich Martin. Er hat jetzt ein Spendenkonto eröffnet und selbst als erster eingezahlt. In der Hoffnung, dass viele seinem Beispiel folgen. 

Aber der Bürgermeister hat auch Positives zu berichten, lobt den Chef des Uderaner Edeka-Marktes, der mitten in der Nacht seinen Laden geöffnet hatte, um die Verpflegung der Einsatzkräfte bereitzustellen. Firma Rohmund aus Uder hat noch in der Nacht einen Radlader geholt, um den Schlamm von den Straßen zu bekommen. Und der Feuerwehrchef sei mit seinen Kameraden 24 Stunden im Einsatz gewesen, bevor er sich endlich schlafengelegt habe. Unterstützt wurden die Uderaner Feuerwehrleute von den Birkenfelder Kameraden, die vor beinahe genau einem Jahr dieselbe Situation in ihrem Ort erlebten. 

Wasser stand zum Teil zwei Meter hoch

Die Jugendfeuerwehr habe angeboten, für die Flutopfer zu spenden, und zwar einen Teil des Geldes, das sich die Kinder mit dem Reinigen des Leineparks in Uder verdienen. „Das habe ich natürlich abgelehnt“, freute sich Gerhard Martin dennoch über die Geste. Angenommen hat er aber das Angebot eines Westhäusers, der sich über Facebook meldete und fragte, wie er helfen könne. Er lädt alle Helfer in Schönau Mittwochfrüh zu einem Frühstück ein. 

Eine überwältigende Hilfsbereitschaft erfahren auch die Rustenfelder, die jetzt ihre Häuser entlang des Rustebachs ausräumen müssen. Auch hier stand das Wasser zwei Meter hoch, zeigen die Schmutzränder an den Fassaden. 

Ein Haus direkt am Rustebach war bis zur Oberkante der Erdgeschossfenster im Wasser versunken. Wie die Bewohner da überhaupt rausgekommen sind? „Ich weiß es nicht“, sagt Wilfried Glorius, Chef der VG Hanstein-Rusteberg, der vor Ort die Hilfe koordiniert. „Die Leute im Dorf müssen jetzt ihren Kram vom Hof kriegen. Alles Fahrbare ist hier unterwegs, um beim Räumen zu helfen“, blickt er lieber nach vorn. „Wenn ein Hof leer ist, holen wir die Feuerwehr, und die spritzt den Hof dann sauber“, erklärt er. 

Soweit war es gestern bei vielen noch lange nicht. Unermüdlich trugen Bewohner und Helfer Kühlschränke, Waschmaschinen, Küchenschränke, Kellerregale, Stühle, Teppiche, Polstermöbel und vieles mehr nach draußen, wo Container oder Hänger bereitstanden. Die Fahrzeuge brachten den Sperrmüll zum Sportplatz. Die Halde, die entlang der Zufahrtsstraße angelegt wurde, war hier gestern bereits 100 Meter lang. 

Unklar ist bislang noch, wie viele Tiere ertrunken sind und vor allem, wo sie liegen. Das Veterinäramt hat einen Entsorger organisiert, der Hühner, Kaninchen, Hunde, Ziegen, sobald sie gefunden sind, abholt und fachgerecht entsorgt. 

Große Anteilnahme am Tod des Feuerwehrmanns

Organisiert ist auch eine Ablösung für die Feuerwehrleute, die jetzt beim Ausräumen der Wohnungen, Keller und Schuppen helfen. Rustenfelde wurde am Montagabend von Bornhagen abgelöst. Gestern waren die Kameraden von Fretterode vor Ort, am Abend waren die von Hohengandern eingeplant. Und die ganze Zeit kümmern sich die Frauen im Ort um die Verpflegung der Helfer. Immer wieder sieht man sie mit Tabletts voller geschmierter Brötchen und Kaffeekannen hin- und herlaufen. 

Wie Wilfried Glorius berichtete, hat bisher niemand in der Turnhalle schlafen müssen, die extra geöffnet wurde. Aber er schließt nicht aus, dass das noch passieren kann. Womöglich braucht mancher, der den ganzen Tag den Schlamm aus seinem Haus geschippt hat, mal eine Auszeit. Binnen einer Stunde stehe für eine Notunterkunft alles parat, verspricht er. 

Bislang war kaum Zeit, das Geschehene zu verarbeiten, und schon gar nicht den Schock, dass ein Feuerwehrmann beim Einsatz in der Unwetternacht ums Leben gekommen ist. Aber die Anteilnahme am Schicksal des 29-Jährigen ist groß. Die Suhler Feuerwehr etwa sprach den Rustenfeldern auf Facebook ihre Anteilnahme aus. Und zahlreiche Feuerwehren aus ganz Deutschland folgten ihr. 


Gemeinde Uder
Bürgermeister: Gerhard Martin

Siedlung 14
37318 Uder

Tel.: 036083 480-0
Fax: 036083 480-24

E-Mail: info@gemeinde-uder.de
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Sprechzeiten Bürgermeister
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Kirchgasse 4

dienstags von 17:00 - 19:00 Uhr
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