Bewohner geschockt: So zerstörerisch wütete das Unwetter im Eichsfeld

Verheerende Folgen hatte das Unwetter, das in der Nacht zum Montag über das westliche Eichsfeld zog. Ein 29-jähriger Feuerwehrmann, der mit der Wehr in seinem Heimatdorf Rustenfelde gleich am Sonntagabend ausgerückt war, verlor sein Leben.

 

Eine Spur der Verwüstung zog das Unwetter rund um den Rusteberg. Besonders betroffen: der 500-Seelen-Ort Rustenfelde. Die Hälfte der Häuser wurde in Mitleidenschaft gezogen. Foto: Eckhard Jüngel 

Eichsfeld. Am Montag waren Feuerwehrleute am Rustebach eingesetzt, der sich nach den heftigen Regenfällen in einen reißenden Strom verwandelt hatte. Gegen 10.30 Uhr entdeckten sie den leblosen Körper, der an einem Baum hängen geblieben war. Die Bergung dauerte 3 Stunden. Wo und unter welchen Umständen der Mann ums Leben kam, ist noch unklar. Auch nach seinem Vater wurde gesucht, unter anderem per Hubschrauber. Er wurde wohlbehalten gefunden. 

In Schachtebich fielen 120 Liter in der Stunde

350 Einsatzkräfte mit 61 Fahrzeugen waren in der Nacht zu Montag in 19 Eichsfeldorten im Einsatz. Foto: Feuerwehr Heiligenstadt 

Am Sonntag, 20.41 Uhr, ging in der Leitstelle die erste Meldung wegen steigender Pegel in Wahlhausen und Lindewerra ein. Viele weitere folgten bis 0.30 Uhr. In den Dörfern um den Rusteberg herrschte Ausnahmezustand. Die höchste Regenmenge fiel in Schachtebich: 120 Liter pro Stunde. Besonders schlimm traf es Rustenfelde. 

Laut Kreisverwaltung gab es in 19 Orten Einsätze. Kurz nach Mitternacht waren 61 Fahrzeuge und 350 Kräfte von Feuerwehren, Technischem Hilfswerk, Katastrophenschutz, Sanitätsbetreuungs- und vom Gefahrgutzug im nordwestlichen Kreis eingesetzt. Wegen Überflutung musste die B 80 bei Arenshausen gesperrt werden, wegen Erdrutsch der Heidkopftunnel sowie eine Straße bei Hohengandern. Zu erheblichen Einschränkungen kam es auch zwischen Schönau und Arenshausen, in Burgwalde, Schachtebich und Rohrberg. 

Durch die Schlamm- und Wassermassen wurden zudem Gebäude und Grundstücke in Mitleidenschaft gezogen, Öl- und Gastanks sowie Stromleitungen beschädigt, ebenso wie Plätze, Brücke, Gehwege. Autos wurden mitgerissen, zum Teil verendeten Tiere in den Fluten. 

Beschädigte Gas- und Öltanks stellten in Rustenfelde am Montag ein besonderes Problem dar. Foto: Eckhard Jüngel 

In der 500-Seelengemeinde Rustenfelde bot sich am Montag ein Bild der Verwüstung. 15 Personen waren in der Nacht aus ihren Häusern evakuiert worden. Ein Gebäude sowie eine Scheune sind dort vom Einsturz bedroht. Die vier Bewohner können nicht zurück. Probleme bereitete auch ein Gastank, der einen Hang abzustürzen drohte. 

Straßen- und Brückenteile einfach weggerissen

„Gegen 23.15 Uhr sahen wir, dass die Wiese am Rustebach voll Wasser stand. Er war zu einem reißenden Strom geworden. Wir sind in Schlafanzügen raus. Es war die Katastrophe. Die Gas-Tanks schwammen“, erzählt Rosmarie Offenbecher, die mit Familie den Mühlweg verlassen musste. Von der Betreuungseinheit bekamen sie erstmal Trainingsanzüge und Schuhe. Aufgrund der Explosionsgefahr durch die Tanks konnten diese Bewohner am Vormittag noch nicht in ihre Häuser zurück. 

Im Dorf waren Straßen- und Brückenteile weggerissen, Tore und Zäune eingedrückt. Auf vielen Grundstücken lag das, was die Fluten angespült hatten, mitunter Bäume, die gar nicht dorthin gehörten. Zerstörte Möbel und Hausrat wurden vor die Häuser geräumt, gesäubert oder entsorgt. Die Leute hatten so verheerende Schäden in ihrem Dorf noch nicht gesehen. Von einigen hieß es, dass an manchen Stellen das Wasser über zwei Meter hoch stand und sich die Flut auf 40 bis 50 Metern Breite ihren Weg bahnte. 

Völlig zerstört ist nicht nur die Küche von Frank Ostarek, auch in den anderen Zimmern sind Schäden und Schlamm Foto: Eckhard Jüngel 

Frank Ostarek stand vor seinem Haus in der Hauptstraße und konnte nicht fassen, was er sah. Die Mauer zum Hof war eingedrückt, das Auto der Mutter über die Straße gegen das Buswartehäuschen geschoben. Sein Wagen hing auf Treibgut. Völlig zerstört war unter anderem auch sein neues Zimmer, das Wasser stand noch auf dem Boden. Das Bild im Esszimmer war ähnlich. In der neuen Küche drehte die Flut Schranktüren aus den Angeln. 

Fassungslos blickte sich auch Josef Brumm um. Zum Glück halfen Familie und Arbeitskollegen beim Aufräumen. „In der Garage stand das Wasser fast unter der Decke. Küche, Bad, Stube, Heizung — „alles ist hin“, sagte er und atmete auf, weil sich die Bewohner in Sicherheit bringen konnten. 20 Hühner und 10 Kaninchen gingen unter. 

„Wir waren hilflos. Das Wasser hatte so eine unwahrscheinliche Kraft. Es riss einem fast die Beine weg. So einen Wolkenbruch habe ich noch nicht erlebt. Das Unwetter 1981 war da nicht so schlimm. Doch es ist gut, dass das Dorf zusammenhält“, meinte Gertrud Diegmann. Gegen 23 Uhr war ihre Familie von den Rufen des Nachbarn geweckt worden. Schnell eilte man zu Hilfe. 

Gerd und Rosmarie Offenbecher (links) mussten ihr Haus in der Nacht zu Montag verlassen. Die Rustenfelder sind geschockt von der Naturgewalt, die ihr Dorf traf. Foto: Eckhard Jüngel 

Auch Andreas Sittel sah man die Anstrengungen der Nacht an. Sein Bruder spritzte gerade Möbel mit dem Schlauch ab. Dankbar war er für all die Hilfe. Von zwei Seiten sei das Wasser gekommen. Die Schweine schwammen im Stall. Im Haus und drumherum hat das Unwetter Spuren hinterlassen. Sittel blickte auf das Grundstück hinter seinem und zeigte auf eine Stelle, wo mal ein Schuppen stand. Bäume und Büsche waren umgeknickt. Die Straße in der Nachbarschaft samt Pflaster war weggerissen. Und eigenartig mutete das Bachstück an, wo die Brücke fehlte. „Es ist unvorstellbar, welche Kraft die Natur hat“, meinte Sittel. Derweil sah man immer wieder Leute, die sich um ihre Mitbürger kümmerten, für Kaffee und Frühstück sorgten. 

Letzte Handgriffe wurden am Samstag in der Gaststätte angelegt neben Gemeindesaal und Kegelbahn. In zwei Wochen sollte Eröffnung sein. Daraus wird nichts. Gastwirt Mathias Timm sagte, er sei zuerst nicht zur Tür herausgekommen. „Das Wasser schoss zu einer herein, zur anderen raus. Die Theke wurde von ihrem Platz gerissen. Man hofft nur, dass es aufhört. Ohne Vorwarnung ist das Unwetter binnen 30 Minuten quasi ‚explodiert‘“, berichtete er und griff wie viele zu Schneeschaufel und Schlauch. 

„In die Hälfte der Häuser sind Wasser und Schlamm in den Keller und bis in die erste Etage gelaufen“, schätzte Bürgermeister Ulrich Hesse (parteilos). Ihm wie vielen Einwohnern stand der Schock ins Gesicht geschrieben, so brachial hatten sie die Natur noch nie erlebt. Am schwersten betroffen im Dorf waren die Mühle, die Hauptstraße, der Bereich Am Rustebach und der Mühlenweg. 

„Um 22 Uhr hat es kräftig geregnet, der Rustebach war drei Viertel voll, eine Stunde später war Land unter“, sagte Hesse. Der Einzug des Rustebaches sei groß – und „hier landet alles“. Wie hoch der Schaden ist, konnte er noch nicht sagen. Doch froh war er über die Hilfe, die die Gemeinde bekam, darunter von Landwirten, die Technik stellten. 

Viele Feuerwehrleute und Polizisten kamen an ihre körperlichen Grenzen, sie waren seit dem späten Sonntagabend im Dauereinsatz. Sie müssten abgelöst werden. Die Aufräumarbeiten in Rustenfelde werden auch den nächsten Tagen fortgesetzt werden müssen. 

Am Nachmittag flog die Polizei mit einem Hubschrauber rund um den Rusteberg, um die Lage zu erkunden. Unrat und Müll lagen auf den Feldern. Die, meinte Polizeichef Marko Grosa, müssen, bevor sie neu eingesät werden können, erst von Kaminholz, Mülltonnen, Gartenmöbeln und anderem, was angespült wurde, befreit werden. 

Landrat lud zur Krisensitzung

Henning: Offiziell kein Katastrophenfall 

Laut Landrat Werner Henning ist das Unwetter im juristischen Sinne kein Katastrophenfall gewesen, weil nur ein Teil des Eichsfeldkreises betroffen war. Trotzdem wurde ein Krisenstab gebildet. Der beriet sich am Montagabend mit den Bürgermeistern der betroffenen Orte. 

Danach konnte Landrat Henning verkünden, dass alle Evakuierten entweder in ihre Häuser zurückkehren oder anderweitig unterkommen, also ein Dach über dem Kopf haben. Wilfried Glorius, Chef der VG Hanstein-Rusteberg, bat die Kreisverwaltung dennoch, die Turnhalle der Rustenfelder Grundschule aufzuschließen, um Leuten, die in ihren verwüsteten Häusern nicht übernachten wollen, zumindest eine Alternative anbieten zu können. Das sagte Henning auch zu. 

Nicht klar war bis gestern Abend, ob es gelingen wird, alle Haushalte wieder ans Stromnetz anzuschließen, da etliche Verteilerkästen buchstäblich weggeschwommen waren. Mit der Eichfeldwerke Entsorgung kam man überein, dass die Rustenfelder am Sportplatz ihren Sperrmüll abladen können. Dieser soll dann zentral abgefahren werden. Ansonsten ging Wilfried Glorius davon aus, dass man sich in den Dörfern jetzt erst einmal selbst hilft. „Es läuft in Rustenfelde“, betonte er. 

Kommentar : Schwerer Einsatz 

Natalie Hünger über Helfer, die alles gegeben haben: 

350 Einsatzkräften setzten in Rustenfelde und den anderen Orten, die vom Unwetter heimgesucht wurden, alles daran, den Betroffenen zu helfen. Sie standen Stunde um Stunde im Schlamm und im strömendem Regen. Viele begaben sich dabei selbst in große Gefahr. Das Wasser ließ Stromkabel reißen, und Gastanks wurden weggeschwemmt. Es wurden Brücken und Ufer weggespült, Gebäude sind einsturzgefährdet. 

Und dieses Mal kehrten nicht alle Helfer nach getaner Arbeit zurück. Ein Kamerad bezahlte den Einsatz mit seinem Leben. Aber für Trauern war in Rustenfelde gestern beinahe keine Zeit. Die Aufräumarbeiten mussten weitergehen. Und womöglich sind diese Einsätze heute andernorts nötig. Denn der Wetterdienst kündigte weiteren Starkregen an – mit Überflutungsgefahr. 


Gemeinde Uder
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Sprechzeiten Bürgermeister
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